Medizinische Cannabis-Anwendungen jenseits der Schmerztherapie

Medizinische Cannabis-Anwendungen jenseits der Schmerztherapie

April 08, 2025Jan Hackmann

Chronische Schmerzen sind die häufigste Indikation für medizinisches Cannabis. Daneben zählen vor allem Spastik, Übelkeit/Erbrechen sowie Appetitlosigkeit/Kachexie zu den häufigsten Einsatzgebieten ( 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung - PMC ) ( 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung - PMC ). Im Folgenden werden diese drei Anwendungsgebiete – nach der Schmerzbehandlung – näher erläutert, jeweils mit der bevorzugten Sortenklasse, dem empfohlenen THC/CBD-Verhältnis und Beispielen gängiger Apotheken-Sorten.

1. Spastik (z. B. bei Multipler Sklerose)

Medizinalcannabis wird vielfach zur Linderung von Muskelspastiken eingesetzt, etwa bei Patienten mit Multipler Sklerose (MS) oder Querschnittslähmungen, wenn konventionelle Antispastika unzureichend wirken. Die Wirksamkeit ist durch klinische Erfahrungen und Präparate wie Nabiximols (Sativex®, THC/CBD 1:1) gut belegt (Cannabis sativa und ihr Einsatz bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen).

2. Übelkeit und Erbrechen (z. B. infolge Chemotherapie)

Cannabis kann auch bei schwerer, therapieresistenter Übelkeit (Nausea) und Erbrechen eingesetzt werden – etwa bei Krebspatienten unter Chemo- oder Strahlentherapie, oder HIV-Patienten unter antiretroviraler Therapie. In solchen Fällen zeigt Δ⁹-THC eine ausgeprägte antiemetische (Übelkeit lindernde) Wirkung (Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge?) (Von Indica bis Sativa- Die Debatte um die klassische Einteilung – Cannabis Apotheke).

3. Appetitlosigkeit und Kachexie (z. B. bei Krebs oder AIDS)

Bei Appetitlosigkeit mit Gewichtsverlust (Kachexie) – etwa bei Tumorpatienten oder AIDS-Patienten – kann Cannabis eine deutliche Appetitanregung bewirken (Cannabinoide gegen Anorexie | PZ – Pharmazeutische Zeitung). Dies verbessert die Nahrungsaufnahme und kann der Auszehrung entgegensteuern, was die Lebensqualität der Patienten erhöht.

  • Sortenklasse: Tendenziell Indica-dominant. Indica-Sorten wirken entspannend und fördern den Appetit (Von Indica bis Sativa- Die Debatte um die klassische Einteilung – Cannabis Apotheke). Aufgrund ihrer sedierenden Komponente eignen sie sich besonders für abendliche Anwendungen, bei denen neben der Appetitsteigerung auch Ruhe und Schlaf unterstützt werden sollen. (Grundsätzlich haben jedoch alle Cannabis-Indikationen mit ausreichend THC ein appetitanregendes Potential (Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge?).)

  • THC/CBD-Verhältnis: THC-dominant. Ein hoher THC-Anteil ist hier ausschlaggebend, da Δ⁹-THC vorwiegend appetitanregend wirkt (Von Indica bis Sativa- Die Debatte um die klassische Einteilung – Cannabis Apotheke). CBD-dominante Produkte zeigen in diesem Bereich wenig Effekt. Oft werden daher reine THC-Präparate (z. B. Dronabinol-Lösung) oder nahezu THC-reine Blüten verwendet, ggf. in Kombination mit leichtem CBD-Anteil zur besseren Verträglichkeit.

  • Beispielsorten: Bedica (Bedrocan) – ca. 14 % THC, <1 % CBD, Indica – wird häufig bei abendlicher Einnahme genutzt. Durch den moderaten THC-Gehalt und ihr terpenebedingtes beruhigendes Profil (hoher Myrcen-Gehalt) sorgt sie für Entspannung und fördert den Hunger (Cannabis-Varianten für die Arzneimittelentwicklung). Bei starkem Kachexie-Syndrom kommen auch potentere THC-reiche Indica-Blüten (>20 % THC) zum Einsatz, abhängig von der individuellen THC-Toleranz. In Deutschland wird alternativ auch Dronabinol (reines THC in Öl/Tropfenform) off-label gegen Appetitlosigkeit verordnet (Cannabinoide gegen Anorexie | PZ – Pharmazeutische Zeitung), was die zentrale Rolle von THC bei der Appetitstimulation hervorhebt.

Fazit: Neben der Schmerztherapie bieten cannabisbasierte Arzneimittel somit vor allem bei neurologischer Spastik, gastrointestinaler Übelkeit sowie tumor- oder AIDS-assoziierter Kachexie einen therapeutischen Nutzen. Die Wahl der geeigneten Cannabissorte richtet sich nach dem Leitsymptom: Bei Spastik eher beruhigende, ausgewogene Strains (mit THC/CBD-Kombination), bei Übelkeit aktivierende THC-dominante Sativas, und bei Appetitlosigkeit sedierend-appetitanregende Indicas mit hohem THC-Gehalt. Die genannten Sortenbeispiele (Bediol, Bedrocan/Pedanios, Bedica etc.) sollen Ärzten und Apotheker:innen als Orientierung dienen, können aber je nach Patient individuell angepasst werden. Eine enge Abstimmung von Indikation, Cannabinoid-Verhältnis und Sortenwahl maximiert den therapeutischen Effekt und verbessert die Verträglichkeit (Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge?) (Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge?).

Quellen: Aktuelle Auswertungen der Begleiterhebung nach §31 Abs.6 SGB V ( 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung - PMC ) ( 3 Jahre Cannabis als Medizin – Zwischenergebnisse der Cannabisbegleiterhebung - PMC ); Erfahrungsberichte aus der neurologischen Praxis und Apotheke (Unterschiede zwischen medizinischem Cannabis und der Freizeitdroge?) (Behandlung von Patienten mit Spastik aufgrund einer multiplen Sklerose mit Cannabis-Medikamenten anstelle von Sativex - Alternative Drogenpolitik); Angaben der Hersteller (Bedrocan) zu Sortenprofilen (Cannabis-Varianten für die Arzneimittelentwicklung) (Cannabis-Varianten für die Arzneimittelentwicklung); sowie pharmazeutische Fachliteratur zur klinischen Anwendung von THC/CBD (Cannabinoide gegen Anorexie | PZ – Pharmazeutische Zeitung) (Von Indica bis Sativa- Die Debatte um die klassische Einteilung – Cannabis Apotheke).

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